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Edsnack

Digitale Bildung in der Praxis

Jede Lehrkaft kennt es: man war noch eben auf der Toilette, legt sich im Kopf seine Einleitung für die Unterrichtseinheit zurecht, schnellen Schrittes auf dem Weg zur Klasse. Nebenbei bekommt man dies und jenes zugerufen und während man das Klassenbuch und den Kaffee in der einen Hand hält, versucht man mit der anderen den Stick in den Computer zu stecken und das Whiteboard anzuschalten. Und es passiert: nichts. Der Unterricht hat soeben begonnen. Und nun? Schweißperlen auf der Stirn? Aufregung in der Klasse? Es ist ein typisches Theater: das Medientheater.

Routine und Erfolgserlebnisse sind wichtig

In meiner Arbeit als Medienpädagogin an einer sozialen Berufsschule war ich schnell nicht nur Lehrkraft, sondern auch Ansprechpartnerin für sämtliche medientechnischen Fragen. Dies hatte einen einfachen Grund: wenn man vor der eigenen Klasse unter Zeitdruck steht, hat man oft schlicht und ergreifend nicht den Nerv in Ruhe die Routine einer Fehleranalyse durchzuarbeiten. Deswegen ist es entspannter sich jemand Externes in die Klasse zu holen, der grad nicht unter Strom steht. Das ist natürlich im Schulalltag vieler kaum möglich. Aber leider lassen negative Erfahrungen die Lehrkraft sehr schnell wieder zu althergebrachten Werkzeugen greifen.

Digitale Medien sind unsere Werkzeuge 

Doch genaue als solche, müssen wir auch digitale Medien sehen: unsere Werkzeuge. Medien beherrschen uns nicht, sie sollen unseren Alltag verbessern. Und sie sollen unseren Unterricht bereichern, leichter machen und dynamischer gestalten. Genau das sollten auch die Schülerinnen und Schüler von uns lernen: digitale Medien sind unsere Werkzeuge. Wir haben sie entwickelt um uns Prozesse leichter zu machen und können sie für unsere Zwecke nutzen.

Es geht um Wissensvermittlung

Worum geht es, wenn wir digitale Medien anwenden wollen? Es geht dabei Wissen auf eine nochmal ganz andere Art zu vermitteln. Mit einer VR-Brille können wir Dinge erlebbar machen, für die wir sonst weit reisen müssten oder die wir so nicht simulieren könnten. Mit unseren schon alltäglich gewordenen digitalen Alltagsgeräten können wir uns auf eine unvergleichliche Art vernetzen. KI ist eine völlig neue Art der Wissensvermittlung und Abfrage. Seit ihrem Auftreten debattieren wir unser Verständnis von Wissen auf eine völlig neue Art und Weise. Erfrischend wie ich finde, denn Wissen war lange genug auf sehr geduldigen Papieren gefangen. Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber zu mir sind die mysteriösen Zusammenhänge der Naturwissenschaft nicht erfolgreich durchgedrungen. Eine etwas visuellere Art der Wissensvermittlung hätte hierbei sicher nicht geschadet.

 

Man kann nichtsdestotrotz davon ausgehen, dass eine Lehrkraft all diese Vorteile bereits zur Genüge kennt, sie diese aber nicht nutzen kann, weil die Geräte nicht da sind, oder der Datenschutz einen Strich durch die Rechnung macht. Vielleicht ist es auch einfach nicht realistisch, all diese Elemente im Unterricht einzubetten. Es ist aber immer toll, alles auszuprobieren, was möglich ist. Sei es mit einem Tablet das Gelernte in einer Gestaltungsapp darzustellen, ein Stop-Motion-Video zu produzieren, klassisch Recherche im Digitalen üben (dies verliert nie an Wichtigkeit!), den medienkritischen Blickwinkel stärken, über Datenschutz informieren, fotografieren üben, etwas programmieren, etwas mit dem Beamer an die Wand schmeißen, KI für den Unterricht anwenden und so weiter: die Möglichkeiten sind vielfältig und digitale Bildung zeichnet sich durch die Nutzung der Möglichkeiten aus, die für einen selbst sinnvoll erscheinen und umsetzbar sind.

„Am Ende des Tages soll das Schulwissen die Gehirnwindungen unserer Lernenden erreichen und nicht zwischen dysfunktionalen Schnittstellen und kaputten HDMI-Stellen versacken oder einfach nur Siri nebenbei mit Daten füttern.“

Friederike Aps

Digitales Lernen gibt es nicht

Ich halte Begriffe wie „Digitales Lernen“ und „Digitale Bildung“ für nicht so zielführend, denn sie haben keine Bedeutung, wenn wir lediglich den SuS das Buch aus der Hand nehmen, ihnen ein Tablet geben und sagen: „Bitte lies exakt den gleichen Text, der schon im Buch steht und das ist dann digitales Lernen“. Spoiler: ist es nicht. Um nun nicht noch über die Begrifflichkeit der Digitalität zu sinnieren, sei nur folgendes kurz gesagt: Digitales Lernen gibt es nicht. Wie soll denn unser Gehirn digital lernen? Wir lernen, weil wir etwas verstehen und daraus eine Erkenntnisgewinn generieren. Wenn SuS die Aufgabe besser verstehen, weil ein Wissensvermittelnder auf Youtube das Ganze in anderen Worten erklärt, dann ist dies ein toller Gewinn. Denn um nichts mehr geht es hierbei: Grundlegendes, Wichtiges soll vermittelt werden. Am Ende des Tages soll das Schulwissen die Gehirnwindungen unserer Lernenden erreichen und nicht zwischen dysfunktionalen Schnittstellen und kaputten HDMI-Stellen versacken oder einfach nur Siri nebenbei mit Daten füttern. Diese grundsätzliche Motivation sollten wir bei der Debatte um den Einsatz digitaler Medien an Schulen nicht aus den Augen verlieren.

Wir müssen unseren Schülerinnen und Schülern kompetent und gewissenhaft medienpädagogische Grundlagen vermitteln. Es schadet auch nicht ihnen das Social Media Hamsterrad in dem sie sich befinden, vor Augen halten, ohne es dabei zu verteufeln. Und wenn es sich anbietet, dann schnappen wir uns unser digitales Gerät und bereichern damit unseren Unterricht. Dabei bieten wir den Lernenden noch eine Prise Medienkompetenz, in dem wir sie mit Medien selbst gestalten lassen. Es sei auch noch darauf hinzuweisen, dass jemand, der von morgens bis abends auf TikTok ist, lernt, nicht automatisch medienkompetent ist. Hier muss immer etwas getan werden und diesen Weg können wir gemeinsam gehen.

Über den Autor

Friederike Aps hat Medienwissenschaft und Filmproduktion studiert und Medienpädagogik an der Berufsschule für soziale Berufe "Campus Berufsbildung" unterrichtet. Sie ist beim Adenauercampus Referentin für Digitale Bildung.